Dürrestress verändert die Funktion von Regenwaldböden
Eine umfangreiche Forschungskampagne im künstlich angelegten Regenwald Biosphere 2 in Arizona verdeutlicht die Auswirkungen von Dürreperioden und Wiedervernässung auf biogene flüchtige organische Verbindungen (VOC) im Urwaldboden.
Langanhaltende Dürre beeinflusst entscheidend, in welchem Maße Regenwaldböden biogene flüchtige organische Verbindungen (VOC) emittieren und verbrauchen können. Zu diesem Ergebnis gelangte ein internationales Forschungsteam, dem Wissenschaftler:innen der Universität Freiburg und des Max-Planck-Instituts für Chemie angehören. Sie untersuchten die Auswirkungen von Dürre und anschließender Wiedervernässung auf die VOC-Flüsse im Boden. Biogene VOC spielen eine wichtige Rolle in der Atmosphäre, da sie an der Bildung von Aerosolen und Ozon beteiligt sind und somit Auswirkungen auf die Luftqualität und das Klima haben können. Ein typischer Vertreter dieser Verbindungen ist das für seinen charakteristischen Kiefernduft bekannte Pinen. Die aktuelle Studie zeigt: Fällt die Bodenfeuchte unter 19 Prozent, verringert sich die Fähigkeit des Regenwaldbodens, VOC aus der Atmosphäre zu verbrauchen. Und nicht nur das: Der Boden wird von einer VOC-Senke zur VOC-Quelle. Verantwortlich dafür sind Bodenmikroorganismen.
Im Rahmen der mehrmonatigen Messkampagne im künstlichen Regenwald sammelten die Forscher:innen rund um die Uhr Daten unter sorgfältig kontrollierten Umweltbedingungen. Die Analyse der Daten konnte klare Wechselwirkungen zwischen Umweltfaktoren und VOC-Flüssen im Boden aufzeigen. Da Hitze- und Dürreperioden als Folgen des Klimawandels häufiger vorkommen werden, ist es wichtig, diesen Zusammenhang zu verstehen.
Verhalten von Bodenmikroben ausschlaggebend
Erstautor Dr. Giovanni Pugliese erläutert: „Die ausgewerteten Daten legen nahe, dass langanhaltender Dürrestress die Fähigkeit des Bodens schrittweise verringert, VOC aus der Atmosphäre zu verbrauchen. Gleichzeitig fängt der Boden an, sich von einer VOC-Senke, also einem natürlichen Phänomen, das VOC der Umwelt entzieht, in eine VOC-Quelle zu verwandeln. Als kritischen Schwellenwert, unterhalb dessen diese Veränderung des Bodenverhaltens eintritt, haben wir eine Bodenfeuchte von 19 Prozent ermittelt.“ Wie Isotopenmarkierungen ergaben, sind die beobachteten Effekte auf die Aktivität von Bodenmikroben zurückzuführen, die unter Dürrebedingungen weitaus mehr atmosphärische VOC produzieren als verbrauchen. Die Ergebnisse wurden in einer begleitenden Arbeit im Journal Nature Microbiology (https://www.nature.com/articles/s41564-023-01432-9) detailliert diskutiert.
Werden die Böden nach einer langen Dürreperiode erneut Nässe ausgesetzt, verstärken sich die Emissionseffekte sogar noch: „Als Reaktion auf die Wiederbefeuchtung des Bodens haben unsere Messungen bereits nach wenigen Stunden eine kurz anhaltende Emissionsspitze von Carbonylverbindungen, zu denen beispielsweise Aceton gehört, gezeigt. Später bildete sich dann eine länger andauernde Emissionsspitze von schwefelhaltigen Verbindungen“, so Pugliese. Im ersten Fall wurde die Emissionsspitze allein durch die Bewässerung erzeugt, im zweiten Fall durch Mikroorganismen im Boden.
Beobachtung von VOC im Boden ermöglicht zuverlässigere Vorhersagen
Prof. Dr. Jonathan Williams, Leiter der VOC-Gruppe am Max-Planck-Institut für Chemie ergänzt: „Wir wissen jetzt, dass Dürrestress das Verhalten von VOC-Flüssen vom und zum Boden tiefgreifend beeinflussen kann. Aktuelle Klimamodelle gehen davon aus, dass der Amazonas-Regenwald künftig häufigeren und längeren Dürren ausgesetzt sein wird. Die neu entdeckten Bodeneffekte müssen wir künftig in Atmosphärenmodelle einbeziehen, um so die Reaktionen des Ökosystems präziser vorhersagen zu können und auch um regionale Simulationen der regionalen Atmosphärenchemie und des Klimas zu verbessern.“
Die Messkampagne lief von September 2019 bis Januar 2020 in der US-Forschungseinrichtung Biosphere 2. Sie war Teil des Projekts B2WALD (Biosphere 2 Water Atmosphere And Life Dynamics). Die neuesten Ergebnisse wurden kürzlich im Journal Nature Communications veröffentlicht.
Die B2WALD-Kampagne wurde von Prof. Dr. Christiane Werner, Professorin für Ökosystemphysiologie an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg, und Dr. Laura Meredith, Direktorin des Biosphere 2 Research Center und Assistenzprofessorin an der School of Natural Resources and the Environment an der University of Arizona in den USA, geleitet. Die Messungen der Boden-VOC-Flüsse haben Wissenschaftler:innen des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz, Deutschland, unter der Leitung von Prof. Dr. Jonathan Williams durchgeführt. Diese Arbeit ist das Ergebnis der exzellenten Zusammenarbeit zwischen der Universität Freiburg, der University of Arizona in den USA und dem Max-Planck-Institut für Chemie. Websites: www.mpic.de/person/123640/4586221 und www.mpic.de/4586680/biosphere.
Dr. Giovanni Pugliese gehörte von Juni 2020 bis September 2021 dem Team um Christiane Werner an der Fakultät für Umwelt und natürliche Ressourcen der Universität Freiburg an. Heute ist Dr. Pugliese Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Chemie in der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Jonathan Williams. Seine Forschungstätigkeit konzentriert sich auf die Messung der Wechselwirkungen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC) im Boden an der Messstation ATTO im Amazonas-Regenwald.
Finanziert wurde die Messkampagne aus Mitteln der ERC-Förderlinie Consolidator Grant, die Christiane Werner 2015 zur Umsetzung des ERC-Projekts VOCO2 vom Europäischen Forschungsrat erhalten hat. Das B2WALD-Projekt ist ein Baustein von VOCO2.