Feinste organische Partikel in der Atmosphäre sind häufiger feste Glaskügelchen als flüssige Öltröpfchen
Glasartige Festpartikel können den atmosphärischen Transport organischer Schadstoffe über weite Distanzen hinweg ermöglichen
Sekundäre organische Aerosole (SOA) entstehen bei der Oxidation flüchtiger organischer Verbindungen in der Atmosphäre. Sie sind für einen Großteil des Feinstaubs in der Luft verantwortlich und haben einen starken Einfluss auf die regionale und globale Luftqualität. Bis vor kurzem wurde angenommen, dass SOA-Partikel ölige, flüssige Tropfen sind. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass SOA-Partikel, abhängig von der chemischen Zusammensetzung sowie Temperatur und Feuchtigkeit, auch einen glasartigen Festkörperzustand annehmen können. Ob die Partikel in flüssiger oder fester Form vorliegen, wirkt sich sehr stark auf ihr Verhalten im Zusammenspiel mit Wolken und Spurengasen aus und bestimmt auch, welchen Einfluss sie auf das Klima und die menschliche Gesundheit haben. Bisher jedoch war unklar, ob und wo in der Atmosphäre SOA-Partikel flüssig oder fest vorliegen. Eine neue Studie eines internationalen Teams von Wissenschaftlern, darunter Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz und der University of California in Irvine, USA, bietet nun aber Einblicke in die globale Verteilung des Phasenzustands organischer Partikel in der Atmosphäre.
„Wir haben herausgefunden, dass SOA-Partikel meist in der Nähe der Erdoberfläche flüssig sind und im Rest der Atmosphäre glasartig“, erklärt Manabu Shiraiwa, Hauptautor der Studie, die vor kurzem in der Open-Access-Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht wurde. Shiraiwa, ehemaliger Gruppenleiter am MPI für Chemie in Mainz, arbeitet jetzt als Assistant Professor im Fachbereich Chemie an der University of California, Irvine.
Glasartige SOA-Partikel können organische Schadstoffe vor dem Abbau durch atmosphärische Oxidationsmittel schützen. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass hohe Konzentrationen solcher Schadstoffe nicht nur in der Nähe anthropogener Quellen sondern auch in abgelegenen Meeres- und Polarregionen beobachtet werden. Ob SOA-Partikel glasartig oder flüssig sind, hängt jedoch stark von ihrer chemischen Zusammensetzung, der Umgebungstemperatur sowie der Luftfeuchtigkeit ab. Daher müssen die molekulare Zusammensetzung und die zugehörigen physikochemischen Eigenschaften der sekundären organische Aerosole bekannt sein, damit eine zuverlässige Einschätzung des Phasenzustands der Partikel und ihrer Auswirkungen vorgenommen werden kann. Diese wurden aber in früheren Studien nicht gut eingegrenzt.
„Zum ersten Mal konnten wir jetzt eine komplexe molekulare Beschreibung der physikalischen und chemischen Eigenschaften von SOA-Partikeln in einem modernen globalen Modell erstellen, um die räumliche und zeitliche Variabilität des SOA-Phasenzustands in der Atmosphäre zu berechnen“, führt Ulrich Pöschl, Direktor der Abteilung für Multiphasenchemie am MPI für Chemie, aus. Jos Lelieveld, Direktor der Abteilung Atmosphärenchemie am Mainzer Institut fügt hinzu, dass „weitere Studien geplant sind, um die Einfluss verschiedener Phasenzustände der sekundären organische Aerosole auf Wolken, Klima, Luftqualität und Gesundheit zu messen“.